Form des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege

Unentgeltliche Rechtspflege wird nicht von Amtes wegen gewährt, sondern nur aufgrund eines Gesuchs. Dieses muss schriftlich an die Verfahrensleitung gerichtet werden, eine Begründung enthalten und die finanzielle Situation der gesuchstellenden Person darlegen (Einkommen, Vermögen, sämtliche finanziellen Verpflichtungen und den Grundbedarf der gesuchstellenden Person, s. dazu BGer 6B_547/2015). Und diese Auskünfte belegen. Die Pflicht des Staates zur Gewährung der Rechtspflege für die Privatklägerschaft ist subsidiär zur familienrechtlichen Unterstützungspflicht.

Normalerweise wird die unentgeltliche Rechtspflege am Tag der Gesuchstellung gewährt. In Ausnahmefällen kann sie auch rückwirkend gewährt werden.

Gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege kann gestützt auf Artikel 393 StPO Beschwerde eingelegt werden.

Die unentgeltliche Rechtspflege wird nur für jeweils eine Instanz gewährt. Wird sie beispielsweise in der Vorverhandlungsphase gewährt, muss die betroffene Person im Rekursfall erneut ein Gesuch bei der für die Verfahrensleitung zuständigen Behörde einreichen.
Trotz ihrer gesetzlichen Bezeichnung ist die unentgeltliche Rechtspflege nicht gratis. Die Privatklägerschaft ist zur Rückzahlung verpflichtet, sobald sich ihre finanzielle Lage verbessert. Gemäss Artikel 30 OHG werden Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes werden in der Regel von den Verfahrenskosten befreit (vgl. BGE 143 IV 154 [DE] und BGE 141 IV 262 [FR.]).

Einige Kantone stellen im Internet Vorlagen für das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zur Verfügung.

Voraussetzungen für die Gewährung der Rechtspflege

Art. 136 Abs. 1 StPO

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Durchsetzung von Zivilansprüchen

Mittellosigkeit

Bedarf eines Rechtsbeistands

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Zivilrechtliche Ansprüche fallen in den Bereich des Privatrechts und betreffen vor allem die Entschädigung und Genugtuung. Es können noch weitere Ansprüche geltend gemacht werden.

(vgl. BGE 129 IV 216, E. 1.2.2)

Bedürftig ist, wer die Leistung der erforderlichen Prozess- und Parteikosten nur erbringen kann, wenn er die Mittel angreift, die er zur Deckung des Grundbedarfs für sich und seine Familie benötigt.

(vgl. BGE 125 IV 161, E. 4a)

Ob jemand einen Rechtsbeistand benötigt, wird beurteilt:

  • nach den relevanten Interessen
  • nach der Komplexität des Falls
  • nach der persönlichen Situation der Partei
  • nach dem Gesundheitszustand der gesuchstellenden Person
  • nach dem Bildungsstand der gesuchstellenden Person
  • danach, ob die beschuldigte Person von einer Anwältin bzw. einem Anwalt vertreten wird (Waffengleichheit).

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Zivilrechtliche Ansprüche müssen begründet sein und Aussicht auf Erfolg haben.

(vgl. BGE 133 III 614, E. 5)

Die Voraussetzung der Mittellosigkeit der gesuchstellenden Person wird nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen (finanzielle Verpflichtungen, Einkommen, Vermögen) zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung beurteilt. Ist die gesuchstellende Person verheiratet, wird auch die Situation der Ehepartnerin bzw. des Ehepartners berücksichtigt.

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Die Zivilansprüche sind zu beziffern und schriftlich zu begründen.

Art. 123 Abs. 1 erster Satz StPO

Die Behörde berücksichtigt das Existenzminimum gemäss Bundesgesetz über Schuldbbetreigung und Konkurs (SchKG) sowie die persönliche Situation der gesuchstellenden Person.

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«Bezifferung und Begründung haben spätestens im Parteivortrag zu erfolgen»

Art. 123 Abs. 2 StPO
(vgl. BGer 1B_94/2015, E. 2.1)

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Zu Inhalt und Auslegung von Art. 136 Abs. 2 cum Art. 29 BV: s. vgl. BGer 1B_619/2011, E. 2