Beispiel: Einem Jenischen, der Maler- und andere Bauarbeiten ausführt, wird die dafür notwendige Bewilligung entzogen. Die zuständige kantonale Behörde begründet den Entscheid damit, dass er in den letzten Jahren wiederholt unrechtmässig private und öffentliche Grundstücke als Halteplätze genutzt habe.
Die Reisendengewerbebewilligung ist für Jenische, Sinti und Roma mit fahrender Lebensweise zentral, da sie für den Verkauf von Waren oder das Erbringen von Dienstleistungen beim Umherziehen notwendig ist.
Das Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden und die am 1. Juli 2018 in Kraft getretene revidierte Verordnung über das Gewerbe der Reisenden (RGV) sehen vor, dass Bewilligungen für die Ausübung des Gewerbes von Reisenden eher als bisher verweigert oder entzogen werden können. Namentlich kann es gemäss Verordnung zum Entzug oder Verweigerung kommen, wenn die gesuchstellende Person innerhalb der letzten zwei Jahre die öffentliche Ordnung erheblich gestört hat. Gemäss dem Gesetzgeber liegt eine erhebliche Störung insbesondere dann vor, wenn der Reisenden im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes unrechtmässig ein privates oder öffentliches Grundstück besetzt hat und dem Eigentümer oder der Eigentümerin schwerer Schaden entstanden ist (vgl. Art. 10 Abs. 1 und 2 RGV).
Die «Kann-Formulierung» im Gesetz und deren Präzisierung in der Verordnung machen deutlich, dass eindeutig nicht jede Übertretung zur Verweigerung oder Entzug führen soll (vgl. Erläuterungen zur Änderung der Verordnung über das Gewerbe der Reisenden): Vielmehr sind erhebliche Störungen nur dann zu bejahen, wenn Personen schwerwiegend von der Störung der öffentlichen Ordnung betroffen sind. Beispielsweise müssen die Eigentümer eines Grundstücks einen schwereren Schaden erlitten haben. Eine erhebliche Störung liegt gemäss dem Gesetzgeber auch dann vor, wenn wiederholten Verstösse festzustellen sind.
Der Entzug oder die Verweigerung der Bewilligung trifft Jenische, Sinti und Roma im Kern ihrer Lebensweise – nämlich zu fahren und als Wanderarbeiter und Händler ein Auskommen zu finden. Ihre Existenzgrundlage hängt somit von der Bewilligung ab.
Zudem tangiert der Entzug oder die Verweigerung der Reisendengewerbebewilligung die grundrechtlich verankerte Wirtschaftsfreit (Art. 27 BV). Diese garantiert dem Einzelnen das Recht, uneingeschränkt von staatlichen Massnahmen jede privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit frei auszuüben und einen privatwirtschaftlichen Beruf frei zu wählen. Für die Rechtsmässigkeit einer Einschränkung der Grundrechte sind die üblichen Voraussetzungen nach Art. 36 BV zu prüfen.
Die Reisendengewerbebewilligung kann von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, der Europäischen Union EU oder EFTA, aber auch von Personen mit Aufenthalt und Wohnsitz ausserhalb der EU oder EFTA beim Kanton beantragt werden. Voraussetzung für deren Erteilung ist, dass keine einschlägigen Verurteilungen wegen eines Vergehens oder Verbrechens innerhalb der letzten zwei Jahre vorliegen (Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Gewerbe der Reisenden).
Die Reisendengewerbebewilligung ist schweizweit gültig. Die Dauer der Gültigkeit beträgt bei Schweizer Staatsangehörigen fünf Jahre (Art. 9 Abs. 3 des Bundesgesetzes über das Gewerbe der Reisenden). Die Gültigkeit bei ausländischen Staatsangehörigen ist mit den ausländerrechtlichen Bedingungen zum Aufenthalt verknüpft (Art. 9 Abs. 4 des Bundesgesetzes über das Gewerbe der Reisenden). Für Personen mit Wohnsitz in der EU oder EFTA gilt sie 90 Tage innerhalb eines Jahres. Die Arbeitstage können auch einzeln während eines Jahres geleistet werden. Während dieser Zeit wird keine ausländerrechtliche Bewilligung benötigt, aber eine Anmeldung ist zusätzlich zur Reisendengewerbebewilligung Pflicht (Meldeverfahren). Wollen Personen mit Aufenthalt und Wohnsitz in einem EU- oder EFTA-Land länger als 90 Tage arbeiten, müssen sie eine ausländerrechtliche Arbeitsbewilligung bei einem Kanton beantragen (Werbe- und Geschäftsmethoden Reisendengewerbe; Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung).