Im Militärdienst treffen Personen mit unterschiedlicher Weltanschauung, Religionszugehörigkeit oder regionaler Herkunft aufeinander. Dies kann zu Konflikten führen. Rassistische Diskriminierung und rassistisches Mobbing durch andere Armeeangehörige oder durch Vorgesetzte können für die betroffene Person besonders belastend sein, da es während des Diensts praktisch keine Möglichkeit gibt, solchen Handlungen auszuweichen.
Die Rechtslage ist für Armeeangehörige klar definiert (vgl. zur Anwendbarkeit des Militärrechts Art. 3 MStG und Art. 2 DRA). Zwar befinden sich Angehörige der Armee in einem Sonderstatusverhältnis gegenüber dem Staat, dennoch stehen ihnen auch im Militärdienst die verfassungsmässigen und gesetzlichen Rechte zu. Einschränkungen sind nur unter gewissen Umständen zulässig (vgl. Art. 28 Abs. 1 und 2 MG). Insbesondere das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot findet in der Armee direkte Anwendung (Art. 8 Abs. 2 BV). Auch das Dienstreglement der Armee (DRA) gewährt Angehörigen der Armee Grund- und Freiheitsrechte, namentlich die Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Schutz der Persönlichkeit (Art. 93 ff. DRA). Die Religionsfreiheit befreit allerdings nicht von den Dienstpflichten und darf den Dienstbetrieb nicht beeinträchtigen (Art. 95 Abs. 1 DRA).
Erläuterung
Art. 8 BV – Rechtsgleichheit
1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.2 Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3 Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4 Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
Kommentar
Um gegen rassistische Diskriminierung vorzugehen, sind das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot (Abs. 1) und das allgemeine Diskriminierungsverbot (Abs. 2) von Bedeutung. Sie stellen einklagbare verfassungsmässige Rechte dar, auf die sich alle natürlichen Personen (Privatpersonen) unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit berufen können. Auf das allgemeine Gleichheitsgebot (Abs. 1) können sich auch juristische Personen (Unternehmen wie etwa Kapitalgesellschaften, Vereine, Stiftungen, etc.) stützen.
Art. 8 BV bezieht sich auf sämtliche staatliche Ebenen (Bund, Kantone, Gemeinden und andere Verwaltungsträger) und umschliesst sowohl die Rechtssetzung als auch die Rechtsanwendung. Die Regelung bindet allerdings nur den Staat und ist nur sehr beschränkt unter Privaten anwendbar.
Die Rechtsgleichheit nach Abs. 1 gilt nicht absolut. Eine Ungleichbehandlung kann gerechtfertigt und zulässig bzw. sogar geboten sein, wenn sachliche Gründe vorliegen. So sieht zum Beispiel die Sozialhilfe je nach Aufenthaltsstatus ungleiche Leistungen vor.
Das Diskriminierungsverbot nach Abs. 2 stellt ein «besonderes Gleichheitsgebot» dar und bildet eine Art Kerngehalt von Art. 8 BV. Für eine Ungleichbehandlung aufgrund der genannten Merkmale wird eine qualifizierte Rechtfertigung verlangt. Das bedeutet, dass die Ungleichbehandlung im öffentlichen Interessen liegen und verhältnismässig sein muss (vgl. analog Art. 36 BV). Das Verbot setzt keine Diskriminierungsabsicht voraus und schliesst sowohl direkte als auch indirekte Diskriminierungen mit ein.
Erläuterung
Indirekte/mittelbare Diskriminierung
Indirekte oder mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn gesetzliche Grundlagen, Politiken oder Praktiken trotz ihrer augenscheinlichen Neutralität im Ergebnis zu einer nicht zulässigen Ungleichbehandlung führen.
Laut Bundesgericht ist «eine indirekte bzw. mittelbare Diskriminierung […] dann gegeben, wenn eine Regelung, die keine offensichtliche Benachteiligung von spezifisch gegen Diskriminierung geschützter Gruppen enthält, in ihren tatsächlichen Auswirkungen Angehörige einer solchen Gruppe besonders stark benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre.» (BGE 129 I 217 E. 2.1 S. 224).
Erläuterung
Direkte/unmittelbare Diskriminierung
Das Bundesgericht spricht von direkter Diskriminierung, wenn «eine Person rechtsungleich behandelt wird allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch und in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder sonst als minderwertig behandelt wurde. Die Diskriminierung stellt eine qualifizierte Art der Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen dar, indem sie eine Benachteiligung eines Menschen bewirkt, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an ein Unterscheidungsmerkmal anknüpft, das einen wesentlichen und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betreffenden Person ausmacht; insofern beschlägt die Diskriminierung auch Aspekte der Menschenwürde.» (erstmals in BGE 126 II 377 E. 6a S. 392 f.).
Direkte bzw. unmittelbare Diskriminierung ist von einer «Ungleichbehandlung» zu unterscheiden, die aufgrund von zulässigen Kriterien oder Gründen erfolgt.
Die Aufzählung der Merkmale in Abs. 2 ist nicht abschliessend. Mit Herkunft ist die identitätsprägende geografische, ethnische, nationale oder kulturelle Herkunft einer Person gemeint. Unterscheidungen nach dem Bürgerrecht richten sich in erster Linie nach Abs. 1. Unter dem heute im europäischen Raum veraltet wirkenden Begriff Rasse werden Merkmale wie Hautfarbe oder Abstammung subsumiert. Die Merkmale Sprache und Überzeugung sind in weiteren Artikeln zusätzlich geregelt (Sprachenfreiheit Art. 18 BV, Glaubens- und Gewissensfreiheit Art. 15 BV sowie Meinungs- und Informationsfreiheit Art. 16 BV).
Die Angehörigen der Armee haben sich gegenseitig zu respektieren, unabhängig von militärischem Grad, politischer oder religiöser Überzeugung, Alter, Geschlecht, Sprache, Herkunft oder Hautfarbe (Art. 82 DRA). In gleicher Weise haben sie den Glauben anderer Personen zu respektieren (Art. 63 Abs.1 DRA). Bei strafbaren rassistischen Handlungen durch Armeeangehörige sind die entsprechenden Tatbestände des Militärstrafgesetzes (insbesondere Art. 171c MStG) anwendbar.
Erläuterung
Art. 261bis StGB – Rassendiskriminierung
1 Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder Diskriminierung aufruft,2 wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,
3 wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
4 wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
5 wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert,
6 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Kommentar
Die Absätze 1 bis 3 erfassen verschiedene Formen rassistischer Hetze, die an die Öffentlichkeit adressiert ist (Aufruf zu Hass oder Verbreiten von rassistischen Ideologien). Dahingegen betreffen die Absätze 4 und 5 die direkte Diskriminierung einer Person oder einer Personengruppe.
Primär schützt Art. 261bis StGB die Menschenwürde (vgl. Art. 7 BV). Daraus ergibt sich zusätzlich der Schutz des öffentlichen Friedens, der auf das friedliche und sichere Zusammenleben der Bevölkerung abzielt. Die Menschenwürde ist dann verletzt, wenn eine Person oder eine Personengruppe im Kern ihrer Persönlichkeit getroffen wird, d.h., wenn sie als minderwertig dargestellt und ihr die Qualität als menschliches Wesen oder das Lebensrecht abgesprochen wird. Die Tathandlung muss also eine gewisse Intensität aufweisen.
Art. 261bis StGB bestraft einzig Diskriminierungen wegen der «Rasse», Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung; die nationale Zugehörigkeit bzw. die Staatsbürgerschaft wird nicht geschützt.
Erläuterung
«Rasse»
Als soziale Konstruktionen werden «Rassen» nicht nur mittels äusserlicher Merkmale, sondern auch aufgrund angenommener kultureller, religiöser oder herkunftsmässiger Unterschiede konstruiert. Dabei werden zum Beispiel bestehende sozio-ökonomische Ungleichheiten mit der ethnischen, kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit als biologisch gegeben «erklärt».
Im Gegensatz zum angelsächsischen Sprachraum ist der Begriff der „Rasse“ im kontinental-europäischen Sprachraum als rassismusbegründendes Konstrukt verpönt und deshalb auch meist mit Anführungszeichen versehen. Der Begriff ist jedoch in internationalen Vertragswerken verankert und wird deshalb auch in Art. 8 BV und Art. 261bis StGB zur Bezeichnung eines Merkmals verwendet, aufgrund dessen nicht diskriminiert werden darf.
Des Weiteren stellt Art. 261bis StGB nur öffentliche Handlungen unter Strafe. Gemäss Bundesgericht sind Handlungen oder Äusserungen nach Art. 261bis StGB dann öffentlich, wenn sie «nicht im privaten Rahmen erfolgen. Als Privat sind Äusserungen [und andere Handlungen] anzusehen, die im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen. […] ob eine Handlung noch im privaten Kreis erfolgt, ist aufgrund der konkreten Umstände zu [entscheiden]. Es liegt aber auf der Hand, dass dabei die Zahl der anwesenden Personen […] ebenfalls eine Rolle spielen kann […], ohne aber für sich allein ausschlaggebend zu sein» (BGE 130 IV 111, 119 f., E. 5.2.2). Dabei genügt es bereits, wenn bloss die «konkrete Möglichkeit» besteht, dass unbeteiligte Dritte den Vorfall wahrgenommen haben (BGE 133 IV 308, 319, E. 9.1). Bei fehlender Öffentlichkeit stehen unter Umständen andere Straftatbestände zur Verfügung, beispielsweise Beschimpfung (Art. 177 StGB) oder Körperverletzungen (Art. 122 ff. StGB).
Für bei der Armee fest angestellte Personen gelten die entsprechenden Ausführungen im Lebensbereich Arbeitswelt. Ausserdem steht bei einem Arbeitsverhältnis die Vertrauensstelle VBS zur Verfügung.