Um rechtlich erfolgreich gegen rassistische Äusserungen, Gewalt und Mobbing im Militär vorzugehen, muss die diskriminierende Handlung mit Zeuginnen oder Zeugen und/oder anderen Beweisen nachgewiesen werden können.
Allgemeine Empfehlung: Es ist ratsam, bereits von Anfang an möglichst viele Beweise zu sammeln (etwa Schriftenverkehr, Gesprächsnotizen, Adressen von allfälligen Zeuginnen und Zeugen). Entsprechenden Stellen sollten ausgedruckt und schriftliche Beweismittel gesichert werden. Vorsicht: Versteckte Ton- oder Videoaufnahmen sind strafbar und unterliegen einem Beweisverwertungsverbot!
Um Rechtsschutz in der Armee zu erhalten, ist dem in Art. 102 ff. DRA vorgegebenen Beschwerdeweg zu folgen.
Persönliche Unterredung
Bei rassistischen Äusserungen, Gewalt oder Mobbing soll gemäss DRA zunächst versucht werden, die Angelegenheit in einer persönlichen Unterredung mit dem Urheber zu bereinigen (Art. 102 DRA).
Persönliche Aussprache mit dem Kommandanten
Kommt die persönliche Unterredung nicht zustande (z.B. weil sie für die betroffene Person nicht zumutbar ist) oder führt sie nicht zum gewünschten Ergebnis, so kann die betroffene Person die Angelegenheit in einer persönlichen Aussprache ihrem unmittelbar vorgesetzten Kommandanten vortragen. Ist dieser der Urheber der Angelegenheit, so wendet sie sich an den nächsthöheren Vorgesetzten. Der Kommandant gewährt die persönliche Aussprache so rasch wie möglich und nimmt wenn nötig weitere Abklärungen vor. Er teilt der betroffenen Person mit, wie er die Angelegenheit beurteilt und wie er weiter vorgehen will (Art. 103 DRA).
Dienstbeschwerde
Die Angehörigen der Armee können schriftlich Dienstbeschwerde erheben, wenn sie der Überzeugung sind, ein militärischer Vorgesetzter, ein anderer Angehöriger der Armee oder eine Militärbehörde habe ihnen Unrecht getan (Art. 104 DRA). Die Dienstbeschwerde wird ebenfalls beim unmittelbar vorgesetzten Kommandanten eingereicht. Richtet sich die Beschwerde gegen eine Militärbehörde, dann wird sie dort eingereicht (Art. 105 DRA). Der unmittelbar vorgesetzte Kommandant oder die entsprechende Behörde entscheidet über die Beschwerde. Sind sie allerdings in der Sache befangen, so leiten sie die Beschwerde an die nächsthöhere Stelle weiter. Die Fristen gemäss Art. 106 DRA sind zu beachten.
Anfechtung des Beschwerdeentscheids
Der Entscheid über die Dienstbeschwerde kann schriftlich bei der nächsthöheren Stelle angefochten werden. Deren Entscheid kann beim Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerung und Sport (VBS) angefochten werden (Art. 109 DRA). Das VBS entscheidet endgültig. Will man einen Entscheid anfechten, muss man dies innerhalb von zehn Tagen nach dessen Mitteilung tun (Art. 109 Abs. 4 DRA).
Militärstrafverfahren
Bei strafrechtlich relevanten Sachverhalten, d.h. wenn möglicherweise ein Verstoss gegen Art. 171c MStG oder andere Straftatbestände vorliegt, ist direkt ein entsprechendes militärgerichtliches Untersuchungsverfahren im Sinne von Art. 100 ff. MStP anzuordnen. Die Zuständigkeit für die Anordnung einer vorläufigen Beweisaufnahme und Voruntersuchung richtet sich nach Art. 101 MStP, d.h. die betroffene Person kann selber keine Anzeige erstatten.
Erläuterung
Art. 261bis StGB – Rassendiskriminierung
1 Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder Diskriminierung aufruft,2 wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,
3 wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
4 wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
5 wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert,
6 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Kommentar
Die Absätze 1 bis 3 erfassen verschiedene Formen rassistischer Hetze, die an die Öffentlichkeit adressiert ist (Aufruf zu Hass oder Verbreiten von rassistischen Ideologien). Dahingegen betreffen die Absätze 4 und 5 die direkte Diskriminierung einer Person oder einer Personengruppe.
Primär schützt Art. 261bis StGB die Menschenwürde (vgl. Art. 7 BV). Daraus ergibt sich zusätzlich der Schutz des öffentlichen Friedens, der auf das friedliche und sichere Zusammenleben der Bevölkerung abzielt. Die Menschenwürde ist dann verletzt, wenn eine Person oder eine Personengruppe im Kern ihrer Persönlichkeit getroffen wird, d.h., wenn sie als minderwertig dargestellt und ihr die Qualität als menschliches Wesen oder das Lebensrecht abgesprochen wird. Die Tathandlung muss also eine gewisse Intensität aufweisen.
Art. 261bis StGB bestraft einzig Diskriminierungen wegen der «Rasse», Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung; die nationale Zugehörigkeit bzw. die Staatsbürgerschaft wird nicht geschützt.
Erläuterung
«Rasse»
Als soziale Konstruktionen werden «Rassen» nicht nur mittels äusserlicher Merkmale, sondern auch aufgrund angenommener kultureller, religiöser oder herkunftsmässiger Unterschiede konstruiert. Dabei werden zum Beispiel bestehende sozio-ökonomische Ungleichheiten mit der ethnischen, kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit als biologisch gegeben «erklärt».
Im Gegensatz zum angelsächsischen Sprachraum ist der Begriff der „Rasse“ im kontinental-europäischen Sprachraum als rassismusbegründendes Konstrukt verpönt und deshalb auch meist mit Anführungszeichen versehen. Der Begriff ist jedoch in internationalen Vertragswerken verankert und wird deshalb auch in Art. 8 BV und Art. 261bis StGB zur Bezeichnung eines Merkmals verwendet, aufgrund dessen nicht diskriminiert werden darf.
Des Weiteren stellt Art. 261bis StGB nur öffentliche Handlungen unter Strafe. Gemäss Bundesgericht sind Handlungen oder Äusserungen nach Art. 261bis StGB dann öffentlich, wenn sie «nicht im privaten Rahmen erfolgen. Als Privat sind Äusserungen [und andere Handlungen] anzusehen, die im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen. […] ob eine Handlung noch im privaten Kreis erfolgt, ist aufgrund der konkreten Umstände zu [entscheiden]. Es liegt aber auf der Hand, dass dabei die Zahl der anwesenden Personen […] ebenfalls eine Rolle spielen kann […], ohne aber für sich allein ausschlaggebend zu sein» (BGE 130 IV 111, 119 f., E. 5.2.2). Dabei genügt es bereits, wenn bloss die «konkrete Möglichkeit» besteht, dass unbeteiligte Dritte den Vorfall wahrgenommen haben (BGE 133 IV 308, 319, E. 9.1). Bei fehlender Öffentlichkeit stehen unter Umständen andere Straftatbestände zur Verfügung, beispielsweise Beschimpfung (Art. 177 StGB) oder Körperverletzungen (Art. 122 ff. StGB).