Beispiel: Eine Zeitung veröffentlicht einen Leserbrief, in dem Kosovo-Albaner generell als gewalttätig dargestellt werden.
Rassistische Äusserungen in Medien verletzen den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz (Art. 28 ZGB). Unter Umständen liegt auch eine strafrechtlich relevante Ehrverletzung (Art. 177 StGB) oder ein Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm vor Art. 261bis StGB.
Erläuterung
Art. 261bis StGB – Rassendiskriminierung
1 Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder Diskriminierung aufruft,2 wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,
3 wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
4 wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
5 wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert,
6 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Kommentar
Die Absätze 1 bis 3 erfassen verschiedene Formen rassistischer Hetze, die an die Öffentlichkeit adressiert ist (Aufruf zu Hass oder Verbreiten von rassistischen Ideologien). Dahingegen betreffen die Absätze 4 und 5 die direkte Diskriminierung einer Person oder einer Personengruppe.
Primär schützt Art. 261bis StGB die Menschenwürde (vgl. Art. 7 BV). Daraus ergibt sich zusätzlich der Schutz des öffentlichen Friedens, der auf das friedliche und sichere Zusammenleben der Bevölkerung abzielt. Die Menschenwürde ist dann verletzt, wenn eine Person oder eine Personengruppe im Kern ihrer Persönlichkeit getroffen wird, d.h., wenn sie als minderwertig dargestellt und ihr die Qualität als menschliches Wesen oder das Lebensrecht abgesprochen wird. Die Tathandlung muss also eine gewisse Intensität aufweisen.
Art. 261bis StGB bestraft einzig Diskriminierungen wegen der «Rasse», Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung; die nationale Zugehörigkeit bzw. die Staatsbürgerschaft wird nicht geschützt.
Erläuterung
«Rasse»
Als soziale Konstruktionen werden «Rassen» nicht nur mittels äusserlicher Merkmale, sondern auch aufgrund angenommener kultureller, religiöser oder herkunftsmässiger Unterschiede konstruiert. Dabei werden zum Beispiel bestehende sozio-ökonomische Ungleichheiten mit der ethnischen, kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit als biologisch gegeben «erklärt».
Im Gegensatz zum angelsächsischen Sprachraum ist der Begriff der „Rasse“ im kontinental-europäischen Sprachraum als rassismusbegründendes Konstrukt verpönt und deshalb auch meist mit Anführungszeichen versehen. Der Begriff ist jedoch in internationalen Vertragswerken verankert und wird deshalb auch in Art. 8 BV und Art. 261bis StGB zur Bezeichnung eines Merkmals verwendet, aufgrund dessen nicht diskriminiert werden darf.
Des Weiteren stellt Art. 261bis StGB nur öffentliche Handlungen unter Strafe. Gemäss Bundesgericht sind Handlungen oder Äusserungen nach Art. 261bis StGB dann öffentlich, wenn sie «nicht im privaten Rahmen erfolgen. Als Privat sind Äusserungen [und andere Handlungen] anzusehen, die im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen. […] ob eine Handlung noch im privaten Kreis erfolgt, ist aufgrund der konkreten Umstände zu [entscheiden]. Es liegt aber auf der Hand, dass dabei die Zahl der anwesenden Personen […] ebenfalls eine Rolle spielen kann […], ohne aber für sich allein ausschlaggebend zu sein» (BGE 130 IV 111, 119 f., E. 5.2.2). Dabei genügt es bereits, wenn bloss die «konkrete Möglichkeit» besteht, dass unbeteiligte Dritte den Vorfall wahrgenommen haben (BGE 133 IV 308, 319, E. 9.1). Bei fehlender Öffentlichkeit stehen unter Umständen andere Straftatbestände zur Verfügung, beispielsweise Beschimpfung (Art. 177 StGB) oder Körperverletzungen (Art. 122 ff. StGB).
Erläuterung
Art. 28 ZGB – Schutz der Persönlichkeit – Gegen Verletzungen – Grundsatz
1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.2 Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
Kommentar
Art. 28 ZGB schützt sowohl natürliche als auch juristische Personen vor persönlichkeitsverletzenden Äusserungen oder Handlungen durch Dritte. Unter dem Begriff der Persönlichkeit wird die Gesamtheit der individuellen Grundwerte einer Person verstanden. Geschützt wird sowohl die Existenz («Dasein») als auch die individuelle Besonderheit («Sosein»).
Verletzt werden können die physische Persönlichkeit, die emotionale oder psychische Persönlichkeit, die soziale Persönlichkeit (etwa Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung), die Ehre oder die wirtschaftliche Persönlichkeit.
Damit eine Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 28 ZGB vorliegt, muss der Eingriff eine gewisse Intensität aufweisen. Die Persönlichkeitsverletzung muss ausserdem widerrechtlich (d.h. nicht gerechtfertigt) sein. Mögliche Rechtfertigungsgründe sind zum Beispiel die Einwilligung der betroffenen Person oder die Wahrung höherwertiger privater oder öffentlicher Interessen (z.B. das öffentliche Informationsinteresse). Als Erstes wird also die Frage gestellt, ob überhaupt eine Persönlichkeitsverletzung im Rechtssinne vorliegt, und als Zweites, ob allenfalls Rechtfertigungsgründe für die fragliche Persönlichkeitsverletzung vorliegen. Ein Verschulden seitens der beklagten Partei wird jedoch nicht vorausgesetzt.
Zur Klage berechtigt sind nur Personen, die unmittelbar in ihrer Persönlichkeit verletzt sind. Sie können verlangen, dass die Persönlichkeitsverletzung unterlassen, festgestellt oder beseitigt wird (Art. 28a Abs. 1 Ziff. 1–3 ZGB). Weiter können sie fordern, dass eine Berichtigung der diskriminierenden Äusserung oder gegebenenfalls ein Urteil gegen die beklagte Partei veröffentlicht wird. Die Publikation soll wenn möglich dasselbe Publikum erreichen wie die verletzende Äusserung. Bei persönlichkeitsverletzenden Medienbeiträgen besteht unter Umständen auch ein Anspruch auf eine Gegendarstellung (Art. 28g ZGB).
Art. 328 OR regelt den speziellen Persönlichkeitsschutz im Arbeitsverhältnis.
Gemäss der Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten vom Schweizer Presserat haben Journalistinnen und Journalisten die Menschenwürde zu respektieren und in ihrer Berichterstattung auf diskriminierende Anspielungen zu verzichten. Die dazugehörigen Richtlinien warnt ausserdem, dass namentlich die Nennung der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit, der Herkunft, der Religion oder der Hautfarbe diskriminierend wirken kann.
Bei strafrechtlich relevanten rassistischen Äusserungen in Kommentarspalten von Onlinemedien ist das Medium dafür verantwortlich, diese zu löschen, wenn es Kenntnis davon hat.
Es ist wichtig, dass Verstösse gegen einschlägige internationale Normen schon von Anfang an gerügt werden. Wird die Beschwerde von der letzten schweizerischen Instanz (in der Regel handelt es sich um das Bundesgericht) abgelehnt, so besteht die Möglichkeit, den Entscheid an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) oder an den UNO-Ausschuss gegen Rassendiskriminierung (CERD) weiterzuziehen.
Erläuterung
Internationales Recht geltend machen
Ist die beschwerdeführende Person mit dem letztinstanzlichen Urteil (meist des Bundesgerichts) nicht einverstanden, so kann sie dieses unter gewissen Umständen an ein internationales Gericht weiterziehen. Im Fall von rassistischer Diskriminierung ist das primär der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) oder der UNO-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD).Um eine Beschwerde an den EGMR weiterziehen zu können, muss eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bereits bei der ersten nationalen Instanz vorgebracht werden und der innerstaatliche Instanzenzug muss erschöpft sein. Ein Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) kann ausserdem nicht alleine gerügt werden, sondern stets nur in Verbindung mit der Verletzung eines anderen Konventionsrechts, zum Beispiel des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) oder der Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK). Demgegenüber kann ein Weiterzug an den CERD nach Erschöpfung des nationalen Instanzenzugs ohne vorherige Rüge einer ICERD-Norm erfolgen.